hier fehlt wohl etwas
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Harvest Moon [SNES]
Harvest Moon [SNES]

"Dann kam der Winter..."

Harvest Moon [SNES]

Nintendo, 1998

elShmuppo


Das Konzept von Harvest Moon ist eigentlich sehr simpel - man erbt den elterlichen Bauernhof, den es Instand zusetzen gilt. Nebenbei kann man sich auf Brautschau zu begeben, denn offensichtlich gibt es Frauenüberschuss in der nahegelegenen Stadt!

Grundsätzlich klingt das nach einem entspannenden RPG mit bäuerlichem Einschlag, aber zuviel Müßiggang sollte man nicht erwarten, denn das Bauernleben von Harvest Moon ist hart - man wird buchstäblich zum Steine klopfen verdonnert!

Der Schwerpunkt des Spiels liegt nicht auf dem Lösen komplexer Quests, knallharte Feldarbeit ist angesagt :

Der Farmboden will erst von Unkraut, Bäumen und Steinen beseitigt werden, dann beginnt der Spass : Das Feld wird gepflügt, die Saat ausgebracht und dann heißt es täglich bewässern bis zur Ernte (nach 5-9 Tagen). Die geernteten Früchte müssen dann einzeln in einer Sammelbox am Farmeingang abgeliefert werden, die täglich am späten Nachmittag geleert wird - so bekommt man Geld in die Kasse um neue Saat, Werkzeug oder Hühner und Kühe zu kaufen.

Um Vieh zu bewirtschaften benötigt man Stroh, daß ebenso angebaut und eerntet wird. Täglich frisches Heu ist für die Tierzucht unerlässlich, Kühe brauchen darüber hinaus noch tägliche Zuneigung damit sie mehr Milch geben - lässt man sie im Regen weiden werden sie krank und benötigen Medizin.

Neben dem Bauernhof und der Stadt mit Shops und ein paar Häusern gibt es noch ein Waldarreal, in dem man Bäume fällen (um Holz für Zaun-Reperaturen und den Hausbau zu sammeln) oder auch mal einen Fisch angeln kann. Dort findet man auch eine Thermalquelle, auf die ich noch zu sprechen kommen werde....

Darüber hinaus sind noch 5 hochzeitswillige Mädchen mit verschiedenem Charakter anzutreffen, bei denen man mit einem kurzen Gespräch oder Geschenken Beziehungspunkte sammeln kann. Auch die jährlich stattfindenden Feiertage sind vor allem darauf ausgerichtet, die Beziehungen zu vertiefen. Wenn man 5 Beziehungpunkte gesammelt hat (hierzu linst man in die Tagebücher der Mädchen ) kann man die Auserwählte zum Altar führen.

Soweit die Theorie... nun zur Praxis :

Nachdem man sich durch das gesamte Dorf gefragt hat bekommt man endlich Zutritt zur Farm: Unkraut, Bäume und Felsen überall! Nach der ersten Orientierung wird erstmal aufgeräumt. Im Werkzeugschuppen gibt es einiges an Arbeitsutensilien: Axt, Hammer, Saatbeutel, Pflug, Kanne und Sichel. Leider fasst das Inventar nur zwei davon, was im Spielverlauf immer wieder Rennerei zurrück zum Schuppen zwischen den Arbeitsschritten bedeutet. Nachdem ein kleineres Areal aufgeräumt und eingezäunt ist (die benötigten Holzstücke bekommt man durchs Bäume fällen) geht es an die eigentliche Arbeit: Pflügen, Aussaat und tägliches Giessen bis zur Ernte.

Das wäre alles kein Problem, wenn man nicht nach wenigen Arbeitsschritten umkippen würde, weil die Stamina erschöpft ist!
Richtig, kaum hat man mit der Arbeit begonnen ist der Tag auch schon gelaufen - der Standard Staminawert ist ein Witz! So hilft leider nur der lange Weg zur Thermalquelle im Wald, um seine Energie wieder aufzufüllen. Um die Stamina dauerhaft zu erhöhen muss man Powerbeeren sammeln, die man beim Pflügen, als Belohnung bei Jahresfesten oder durch das lösen kleiner Secrets erhält. Tragischer Weise steigert eine Beere die Ausdauer aber nur minimal, es bleibt also dabei : Arbeiten bis zum Umfallen und wieder ab zur Quelle - an die 15 mal... jeden Tag!

Man bedenke: eine Aussaat bedeutet 9 Felder, die es zu pflügen und TäGLICH zu wässern gilt...und es dauert ewig bis zur ersten Ernte!Um mit der Aussicht auf hochpreisige Viehkäufe, neue Werkzeuge oder einen Hausvergrößerung zu wirtschaften landet man schnell bei 20 Feldern. Obendrein gibt es massig Bäume zu fällen und Steine zu zerprügeln (beides sehr Stamina intensiv), die zusätzlich unabdingbaren Gänge zum Werkzeugschuppen oder zum Brunnen um seine Kanne aufzufüllen (selbst das raubt einem die Ausdauer!) töten einem dann noch den letzten Nerv.

Na, wenigstens muß man seine Heuernte nicht wässern und kann sie selbstständig einlagern. Und an glücklichen Tagen fällt auch mal langersehnter Regen, der einem die ewige Gießkannen-Marter erspart! Aber um das Bauernleben nochmal zu verschärfen darfs im Sommer auch mal gerne ein Tornado sein, der die mühsam angelegten Felder verwüstet und die Zäune zerstört - was aber gottlob nicht allzu oft vorkommt.

Kommen wir nun zur Ernte: Im Gegensatz zur ewig andauernden, monotonen Gartenpflege ist das Ernteprozedere Hektik pur, denn die Erntebox wird nur einmal tätglich am frühen Abend geleert.Hier sollte vielleicht erwähnt werden, daß ein Tag in Harvest Moon gefühlte 90 Sekunden dauert (während die Nacht erst dann endet, wenn man halbtot nach getaner Arbeit ins Bett fällt). Je nach Größe des Feldes heißt es nur mit Vollgas jedes einzelne Früchtchen pflücken und kopfüber bis zur Erntebox schleppen - was bei einem größerem Feldkomplex zu einem hektischem Slalom wird.

Ein netter Nebeneffekt der kurzen Tage ist daß sich die Bewohner strikt zu Sonnenuntergang zurrückziehen und natürlich auch ihre Geschäfte dicht machen, so daß man es an Erntetagen kaum schafft seine Einkäufe zu erledigen, geschweige denn sich mal den Mädels zuzuwenden. Daß alle Läden am Wochenende geschlossen haben versteht sich da ganz von selbst.

WENN dann endlich einmal das Tagwerk abgeschlossen ist sinkt man erschöpft ins Bett, schaut nochmal kurz den Wetterbericht (BITTE REGEN!) und streicht einen weiteren Tag aus dem Kalender.

So vergehen Frühling und Sommer im Arbeitstrott mit ewige Nächten voller monotonem Schuften und hektischen Erntetagen.

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Under a funeral moon

Nachdem das Spielprinzip nun ausgiebig erläutert wurde möchte ich auf einen Aspekt zu sprechen kommen der eigentlich der Anlass für diesen Artikel ist - die dunkle Seite von Harvest Moon :

Und so begab es sich daß sich der Sommer dem Ende zuneigte, die Tage wurden kürzer und die letzte Saat war ausgebracht... Haus und Hof waren bestens bestellt. Auch hatte ich neben der ganzen Schufterei Zeit gefunden die Bardame - die mich sympathischer Weise bei meinen Besuchen immer selbstgebrannten Schnaps abgefüllt hatte - mit ein paar Geschenken erfolgreich zu umwerben, alles schien sich zum besten zu entwickeln.

Als dann der Herbst einbrach sah ich die Früchte meiner Arbeit auf den Feldern verwelken,lediglich das Heu wuchs weiter auf der Aue... so beschloß ich auf Viehzucht umzusatteln, kaufte noch ein paar Hühner und 3 Kühe. Nachdem ich mit meiner Flamme ein paar mal gemeinsam in die herbstliche Quelle gehüpft war steckte ich mir bald darauf eine Feder an den Hut und nahm die Barmieze zur Frau... alles schien sich bestens zu entwickeln!

Doch langsam legte sich ein Schatten auf meine Farm. Da ich an die aufreibende Feldarbeit gewohnt war ich bald angeödet vom monotonen Tagesablauf : Kühe melken, Hühner füttern und hin und wieder etwas Heu ernten - all das war schnell erledigt und kein Ersatz für das hektischem Spiel von Saat und Ernte. Besuche im Dorf waren eh hinfällig geworden, da es kein Ernte-Zubehör mehr zu kaufen gab und auch das gesellschaftliche Treiben an Reiz verloren hatte. Da sich offensichtlich auch keine Sidequests mehr ereigneten unterließ nach und nach ich meine Wanderungen, kümmerte mich nur noch um die Stallungen und sah den Kühen beim wachsen zu...

Dann kam der Winter... die Farm war im Schnee versunken... Außer Bäumen fällen gab es Abseits der Stallungen keine Beschäftigung mehr, und selbst dieser Tätigkeit wurde ich müßig, da der Holzspeicher bereits prall gefüllt war.
Was ich mir auch immer von meiner Hochzeit erhofft hatte wurde bitter enttäuscht. Die einst kesse Barfrau stand nur noch prüde gekleidet im Haus herum, und beschwerte sich über mangelndes Gesellschaftsleben. So ging ich also los und sprach mehrfach mit den Bewohnern von Stadt und Wald, aber jeder hatte nur sein karges Sätzchen zu bieten ... soziales Leben schien es abseits der Jahresfeste nicht zu geben - also blieb ich genervt zu Hause und sehnte das Ende des Winters herbei - der hatte aber gerade erst begonnen.

Eines Tages ging ich nach dem Aufstehen in den Stall und sah daß meine jüngste Kuh - trotz täglicher Pflege - krank geworden war. So ging ich durch die ewig Weiße Landschaft in die Stadt um Medizin zu kaufen, versorgte das Tier und legte mich wieder ernüchtert hin. Am nächsten morgen ging ich wieder in den Stall, aber statt einer Besserung war nun auch die zweite Kuh erkrankt. Vor dem Weg in die Stadt ging ich nochmal ins Haus, wo meine Frau mich darauf aufmerksam machte daß ich doch bitte die Haus - Tür weiß streichen solle! Das nervte mich derart daß ich gleich ins Bett ging.

Natürlich hatte ich alle weiteren Aktivitäten vergessen und fand tags darauf alle Kühe erkrankt vor.
Beim Zwischenstopp im Haus teilte mir ein kurzes Dialogfenster meiner Frau mit, daß sie nicht glücklich ist! Also strich ich die gottverdammte Tür und trieb das kranke Kalb auf die verschneite Weiden, wo ich es im Lauf durchschlafener Tage verrecken ließ!
Hierzu gab es eine schöne Beerdigungssequenz, gefolgt vom Anschiss des Viehändlers... Ihr seit mir schon ein feines Völkchen, leckt mich doch!

In der kommenden Woche schmiss ich nach und nach meine Hühner aus dem Stall und krönte so meinen Schlaf mit einem allabendlichen, gackernden Geräusch: Am nächsten morgen zeugten nur noch ein paar verstreute Federn von ihrer Existenz.
Nachdem auch die zweite Kuh eingegangen war und meine Frau nicht mehr mit mir sprach begann ich, die anderen Mädels im Dorf mit Geschenken zu überhäufen... nebenbei starb auch die Dritte Kuh auf der Weide.
Nach ihrer Beerdigung brachte ich meinen Hund ins Dorf und ließ ihn im Zimmer einer meiner Liebschaften. In den folgenden Nächten lief ich die Kuhglocke läutend durch die verschneiten und mittlerweile verwahrlosten Felder...

An Tag des Sternenfestes ignorierte ich die Feierlichkeiten und meine Frau sowieso, lief durch die Gegend und traf die Tochter des Werkzeugmachers in der Waldquelle - da konnte ich natürlich nicht wiederstehen und ab dafür. Nachhause wiedergekehrt stand meine Frau mit gepackten koffern in der Wohnstube und teilte mir mit, daß sie mich verlassen wird! Offenbar war das zufällige Treffen im Wald an diesem Feiertag als Seitensprung bestraft worden!

Tja, das wars : Frau weg, Viecher tot, im Dorf verhasst, der Hof verfallen und die Felder verwüstet... und der Schnee bedeckte die Trümmer meines Harvest Moon Lebens.


letzte Aktualisierung: 21.08.2015 |sS|